Quantcast
Channel: Wiener Alltagsbeobachtungen
Viewing all articles
Browse latest Browse all 209

Untere Menschen

$
0
0
Ich gehe nachmittags im Billa Corso in der Inneren Stadt einkaufen. Corso deshalb, weil hier ein erweitertes Sortiment mit Luxusartikeln und FairTrade-Artikeln vorhanden ist. Zwar kaufe ich davon nur selten was (meist die gute Zotter-Schokolade), aber der Laden ist gut sortiert, in der Obstabteilung riecht es immer so intensiv nach frisch gepressten Orangen und das Personal ist freundlich.

Das muss es auch sein, denn hier bevorzugt die Upper Class einzukaufen, und zwar vor allem piekfeine Damen im Mantel, zwischen 50 und 70, die sich oft benehmen, als hätten sie noch nie einen Supermarkt von innen gesehen. So jemand befand sich heute zur selben Zeit wie ich im Supermarkt, und ließ sich von einem Mitarbeiter im Corso von Regal zu Regal führen, wo sie dann entschied, ob sie etwas kaufte oder nicht. Weil das ein gar so liaber Bua war, wollte sie seinen Namen wissen, und weil dieser ausländisch klang, schob der Mitarbeiter in perfektem Deutsch hinterher: "Ich komme aus Transsilvanien". Das nachfolgende Zwiegespräch bekam ich nicht mehr mit.

Dann ging's vor an die Kasse. Und ich erlebte eine Szene: Ein älterer Mann, noch älter als die Dame, wurde von dieser, die hinter ihm stand, angefault, und er hob abwehrend die Hände "Woher soll ich das wissen? Deswegen müssen Sie hier nicht so herummosern!" - Sie schüttelte nur theatralisch den Kopf. Ein weiterer Mann hinter ihr, jünger, im schwarzen Anzug und perfekt gegeltem schwarzen Haar, bot ihr an, sie vorzulassen. Sie ignorierte ihn erst, und während der angemosterte Mann bezahlte, stand sie schräg hinter ihm und blickte ungläubig hin und her. Der Anzugmann bot ihr wiederholt an, sie vorzulassen, und sie sagte "Nein, gehen Sie nur vor!" und fügte dann in Richtung der Kassiererin hinzu: "Sehen Sie. So geht das, was für ein netter junger Mann. So kann man den unteren Menschen auch noch etwas beibringen!"

Während ich gerade verblüfft darüber nachgedachte, ob sie wirklich "untere Menschen" gesagt hatte, stellte sie sich vor mir an die Kasse, und tat aber nichts. Ich packte auf das viel zu kurze Band das Tobleronetrenndings und lud dahinter meinen Einkauf ab. Da erst begann sie aufzustapeln, schaute mich missbilligend an und sagte streng "Das wird sich nicht ausgehen!" Ich schob meinen Einkauf etwas zurück, aber statt sie - und sie hatte wirklich nicht viel - ihre Sachen eben stapelte, fegte sie plötzlich ansatzlos meinen Einkauf wüst nach unten, sodass er in den Einkauf der nach mir folgenden Person hineinrutschte. Und moserte weiter "Kann man hier nicht einmal ....". Die Frau hinter mir schaute mich fragend an und ich machte den Wischer vors Gesicht, um anzudeuten, dass die Frau an Tuscher hat. Wir beobachteten halb fassungslos, halb fasziniert, wie sich die Dame nicht entscheiden konnte, ob sie den 10,15 oder 20 % Gutschein anwenden solle und erst umständlich ihr Geldbörserl hervorkramte. Die Kassiererin ließ einen tiefen Seufzer verlauten, als sie endlich eingepackt hatte und den Platz wieder freigab.

Die Moral von der Geschicht'? Obermenschen einkaufen nicht.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 209