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Channel: Wiener Alltagsbeobachtungen
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Die Logik der ÖVP

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Zumindest die ÖVP sieht darin aber eher einen Schritt, um Bewegung in den Stillstand auf europäischer Ebene zu bringen. So erhofft sich Außenminister Sebastian Kurz nach eigenen Worten einen „Dominoeffekt“ durch vermehrte Rückweisungen. Innenministerin Mikl-Leitner spricht sogar von einem „Dominoeffekt der Vernunft“ und einer „Schubumkehr“ in der Flüchtlingskrise. Wenn Flüchtlinge von Zentraleuropa nach Griechenland zurückkommen, so die Überlegung, werde Athen beginnen, seine Außengrenze stärker zu schützen, und dadurch würden weniger Asylwerber über die Türkei in die EU kommen.
Quelle: http://orf.at/stories/2320808/2320809/

Etwas Geographie-Nachhilfe für die Innenministerin:

  (Quelle: maps-for-free.com)

Das sind Griechenland und die Türkei. Griechenlands "Außengrenze" verläuft großteils auf offener See. Dort kann man weder Zäune noch Mauern bauen. Es lassen sich auch keine Panzer auffahren oder eine lange Kette an Soldaten hinstellen. Die einzige Möglichkeit, Flüchtlingsboote vom Anlanden abzuhalten, ist sie zu zwingen, umzudrehen und wenn sie das nicht tun, auf sie zu schießen. Das verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

Hier steht z.B. geschrieben: 
Schiffskapitäne sind völkerrechtlich verpflichtet, in Seenot geratene Menschen zu retten.
[...] 
Lässt ein Staat einen blinden Passagier nicht an Land gehen und befindet sich der nächste Anlaufhafen in einem Land, in dem der blinde Passagier seines Lebens nicht sicher ist, dann ist die Verweigerung gleichbedeutend mit einer Zurückweisung (refoulement). 
Bereits 2009 wurde von FRONTEX und Wolfgang Schäuble (CDU) klargestellt:
"Wer in Not ist und Flüchtling ist, hat einen Anspruch auf Aufnahme, und wer auf hoher See ist, wird nicht zurückgeschickt, sondern es gelten die Regeln der Genfer Konvention."Zurückweisungen auf See seien mit der geltenden Rechtslage unvereinbar. Schäuble wörtlich: "Das ist gegen alle Regeln."
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/bootsfluechtlinge100.html

Griechenland kann also seine Außengrenzen nicht schützen und weniger Flüchtlinge ins Land lassen, das ist weder geographisch noch rechtlich möglich. Der einzige Effekt, die Flüchtlinge zurück nach Griechenland (oder Italien) zu schieben wird sein, dass dort Chaos ausbricht, weil die Menschenmassen nicht mehr bewältigbar sind, und in Massenquartieren wohl auch nicht beherrschbar. Das ausgerechnet von Griechenland zu verlangen, die am Rande einer Staatspleite wandeln, ist größenwahnsinnig. Griechenland beschwert sich zurecht, dass die Türkei drei Milliarden Hilfe für die Flüchtlingsströme erhalten, sie selbst aber nur ein paar dutzende Millionen, die kaum ausreichen, den Treibstoff der kontrollierenden Boote zu bezahlen. Zudem wird hier übergangen, dass die Türkei derzeit selbst Menschenrechtsverletzungen gegen die kurdische Minderheit im Osten begeht, man hätte die zugesicherte Hilfe also an die Einhaltung der Menschenrechte knüpfen müssen.

Jedenfalls wird der Plan von Mikl-Leitner nicht aufgehen, die Obergrenzen werden sich nicht halten lassen, weil Menschen in Not sich nicht von politischen Beschlüssen abschrecken lassen werden. Gleich wie stolz Mikl-Leitner darauf ist, Österreich "unattraktiver" für Flüchtlinge gemacht zu haben, ist die Attraktivität eines reichen Landes wie Österreich immer noch höher als die des zerbombten Heimatlands oder eines von Pleite, hoher Arbeitslosigkeit und brachliegender Wirtschaft beeinträchtigten Landes wie Griechenland. Die Menschen sind nicht blöd, sie werden sich kaum dort niederlassen wollen, wo sie sich auf absehbare Zeit nicht eines Tages selbst versorgen können - perfiderweise wird ihnen ja genau das vorgeworfen: Sich in die 'soziale Hängematte' des Einwanderungslandes zu begeben, aber das betrifft wohl nur einen Bruchteil der Ankömmlinge.

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