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Channel: Wiener Alltagsbeobachtungen
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Scheuklappendemonstranten

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In Österreich, speziell in Wien, kommt es immer wieder zu Zusammenstößen bei Demonstrationen, und zwar weitaus seltener zwischen den Rechten und den Linken als zwischen Polizei und Linken. Fakt ist sicherlich, dass Justitia auf dem rechten Auge blind ist, seit der Rechtsextremismusbericht unter schwarzblau abgeschafft wurde. Zum Glück gibt es noch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), das sich mit Rechtsextremismus und Nationalsozialismus verstärkt auseinandersetzt. Daraus resultieren auch Einschätzungen, welche Burschenschaften und Gruppierungen als rechtsextrem eingestuft werden. Leider interessiert das in der Regierungspolitik niemand, andernfalls ist es nicht zu erklären, wie ein Dritter Nationalratspräsident über Jahre sein Amt ausüben darf, obwohl er in einer rechtsextremen Burschenschaft Mitglied ist. Rechte bekommen viel Platz in Österreich, sie dürfen Kränze am Heldenplatz zum Gedenken ihrer "Helden" niederlegen, es gibt immer noch Ehrengräber und Straßen und Plätze, die nach Antisemiten benannt wurden. Der WKR-Ball ist immer der traurige Höhepunkt, besonders dann, wenn er auf den Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus zusammenfällt, und diese besondere Koinzidenz nicht unterbunden wird. Jüdische Überlebende durften beim letzten WKR-Ball nicht auf dem Heldenplatz gegen den WKR-Ball demonstrieren, sie wurden ins Abseits gedrängt. Wenn man alle Ereignisse zusammennimmt, dazu noch die Wahlergebnisse von 20 % und mehr für die FPÖ, und die rassistischen "Zwischenfälle", die hier Alltag sind samt der Wortwahl, dann ist das politische Gewicht in Österreich stark rechtslastig.

Es ist richtig und wichtig, dass es Menschen gibt, die aufzeigen, dass es so nicht geht. Nur tut sich die Linke in Österreich keinen Gefallen mit ihrer Vorgehensweise. Und das völlig unabhängig davon, dass das Weltbild der Identitären Bewegung ihren Rechtsextremismus zu kaschieren versucht, dass die Wiener Polizei bei Demonstrationen keine Deeskalation einsetzt, und von FPÖ-Anhängern unterwandert ist. Nur, weil die Polizei hier übertrieben hart reagiert, rechtfertigt das keine Steinwürfe oder Sachbeschädigungen. Jeder Steinwurf Richtung Polizei ist ein Glückstreffer für die Rechten, die dann völlig berechtigt ausrufen dürfen, dass die Gewalt von Links ausgehe und sie eh ganz friedlich und harmlos seien. Oft kommen dann Argumente wie "was ist eine kaputte Scheibe gegen zerstörte Mahnmale gegen die Judenverfolgung oder Gewalt gegen Ausländer...". Leider hat diese kaputte Scheibe mehr Tragweite als es die Linken begreifen wollen. Sie ziehen nämlich Unbeteiligte hinein, die teilweise sogar mit Links sympathisieren, aber wie soll man ihren Protest unterstützen, wenn man selbst zum Opfer wird, wenn sogar jene zum Opfer werden, für die sich die Linken angeblich einsetzen? Es wird auch unter den Polizisten welche geben, die nicht rechts sind, die leider ihren Job machen müssen und Rechte beschützen, obwohl sie ihnen zum Hals heraushängen. Ob sie nach einem Steinwurf immer noch so denken? Deeskalation ist eine gegenseitige Sache, sie geht nicht nur einseitig aus. Es besteht immer noch ein Unterschied zwischen Selbstverteidigung (etwa wenn Sitzblockaden gewaltsam aufgelöst werden) und aktiver Handlung (Steinwürfe, zerstörte Scheiben).

Und dieses Mal ist bei der Demonstration etwas passiert, was mich wütend macht. Weil die Gefühle von uns Unterstützern gezielt manipuliert wurden. Es ging dabei um die angeblich schwangere Frau auf der Demonstration, die durch brutalen Polizeieinsatz ihr Kind verloren habe. Niemand konnte das später nachweisen, aber die Initiatoren der Demonstrationen befeuerten die Falschmeldung massiv, um auf die neue Dimension der Polizeigewalt hinzuweisen. Diese bleibt auch ohne diesen Vorfall äußerst bedenklich für die Demokratie und den Rechtsstaat, aber das bewusste Instrumentalisieren einer nicht nachgeprüften Aussage hinterlässt bei mir einen äußerst schalen Nachgeschmack. Diese Methoden haben die Linken nicht notwendig, und nachdem der Schuss nach hinten losging, verlagerte sich die Debatte leider auch mehr auf die Falschmeldung als auf die wahre Gefahr, die von den Identitären ausgeht, deren kolportiertes Bild in der Mitte der Gesellschaft herzlich angenommen wird.

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