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Channel: Wiener Alltagsbeobachtungen
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Der Hüttenwirt

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Auf einer Hütte in Niederösterreich.... ein Wirt, zwei Schneeschuhwanderer und ein Skitourengeher. Der Wirt empfängt uns offensichtlich schwer betrunken, kriegt kaum einen geraden Satz heraus. Dass wir grüßten, hat er offenbar überhört, er insistiert: Bei uns sagt man "griaß euch!" Um uns Manieren beizubringen. Dann betrachtet er argwöhnisch meinen Begleiter und sagt grob "Wie ein Bergsteiger siehst Du aber nicht aus!" - "Ein Wiener eben", reagiert mein Begleiter süffisant und übergeht die Spitze. Immerhin hatten wir die ganze Ausrüstung mit, Funktionsgewand, etc... keine Ahnung, wie ein Bergsteiger sonst aussieht? Wie ein Jäger?

Mühsam erklären wir, von wo wir kamen, und dass wir mit Schneeschuhen gegangen sind. Munition. "Ich bin ja ein Gegner von Schneeschuhen!" beginnt er, und wiederholt das noch zehn Mal. "Sibirien und Kanada! Da braucht man die, aber am Berg? Da reichen Bergschuhe!" - "Nicht bei den Schneeverhältnissen", entgegnen wir, aber er lässt sich nicht beirren. "Ich bin ein Gegner von Schneeschuhen!" Kommt sehr, sehr gut, das so heftig zu betonen, wenn man gerade Gäste hat, die mit Schneeschuhen und nur dank Schneeschuhen dort hingekommen sind. Denn bei über einem halben Meter unverspurtem Gelände durch teils dichteren Wald ist man ohne Schneeschuhe chancenlos.

Aber gut, weiter im Programm. Er fragt uns danach, was wir machen. Mein Begleiter antwortet fatalerweise, dass er im kirchlichen Bereich arbeitet. "Kirche! Ich bin ja Atheist!", und dann legt er los, dass 62 Personen (was er ca. zwei dutzend Mal wiederholt) den Reichtum der halben Welt besitzen. 62 Personen! Und was tut die Kirche dagegen? Nichts! "Erklär mir das! 62 Personen alleine!" und Richtung Skitourengeher "Hast Du verstanden?" Dieser ironisch "Nein!""Nochamal! 62 Personen besitzen die halbe Welt!" - "Ja, das kann ja sein. Ich kann Dir nicht ganz folgen!" - "62. Zweiundsechzig Menschen besitzen den ....!" - "Das hab ich schon verstanden, aber ich kann Dir grad nicht ganz folgen. Ist aber eh nicht dramatisch." - "Nicht dramatisch? Das macht gewaltig viel aus! Das sind 62 ..." - "Ich meine, es ist nicht dramatisch, wenn ich Dir nicht ganz folgen kann."

Und warum ist die Kirche auch noch dafür, die ganzen Moslems ins Land zu holen? Das sei doch eine andere Kultur, die werden sich nie integrieren. "Wer in Not ist, der soll bei uns Zuflucht finden dürfen", antwortet mein Begleiter. Der Wirt macht eine wegwerfende Handbewegung, als sei der Krieg in Syrien und der IS-Terror bloß erfunden. Er nennt eine abstrus hohe Zahl an Flüchtlingen, die angeblich letztes Jahr nach Österreich kamen. Ich korrigiere "es waren 90 000", und er "soll Europa die halbe Welt aufnahmen, sollen wir denn alle aufnehmen?" Und überhaupt, die Flüchtlinge kriegen mehr Geld als die Österreicher. 870 Euro, dazu Wohnung, Strom... das sind ja 2000 € pro Person. Und wir? Wir kriegen viel weniger Pension nach 40 Jahren Arbeit. "Das wird eine Explosion geben noch". Das geht so nicht mehr weiter. "Normalerweise politisiere ich nicht so", sagt er noch, und der anwesende Skitourengeher, offenbar ein Bekannter (der auch nur noch die Augen verdrehte), nickt dazu, "ich hab diese Diskussionen jeden Tag auf der Hütte", sagt er.

Weil er ganz und gar ungläubig ist, warum wir von Wien (?) extra zu ihm auf die Hütte kommen - "warum geht ihr nicht auf die Rax? Schneeberg? Ötscher?" [weil das keine guten Schneeschuhberge sind!], gibt er uns einen Schnaps aus, besteht aber beim Abschied darauf, dass wir "tschüss" zu ihm sagen.

Tschüss mit ü. Das war mit Sicherheit mein letzter Besuch unter diesem Wirt auf dieser Hütte.

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