Mich und Kirchen verbindet ein besonderes Band.
Als ich im August 2010 vom hügeligen Tirol ins flache Wien übersiedelte, fehlten mir jegliche Orientierungspunkte in der Stadt. Oft verging ich mich zunächst, verirrte mich in den Häuserschluchten, weil mir markante Erhebungen wie in Innsbruck fehlten. Dann entdeckte ich die Kirchtürme für mich, ihre charakteristische Gestalt verriet mir bald, wo ich mich befand, in welche Richtung ich blickte und wo ich offenbar absolut falsch war. Mit den Kirchen und ihren unterschiedlichen Baustilen - ich trauere der Romanik, Gotik und Renaissance hinterher, die man in Wien nur zufällig findet - kam die Liebe zur Architektur, und wie man die verschiedenen Baustile auseinanderhält. Das ist wie eine Schatzsuche, wie eine Detektivarbeit, nur eben mit Fenstern, Portalen, Dächern und Wandschmuck.
So war ich die vergangenen Jahre unterwegs, um die verschiedenen Kirchen in Wien aufzusuchen und abzufotografieren - mit der Zeit suchte ich dann auch nach anderen historischen Gebäuden, wie etwa in
diesem Blog-Beitrag vorgestellt (weitere werden folgen). Nicht zuletzt landete ich so auch in der vermutlich weltweit größten Community über Architektur, der
SkyscraperCity, wo man in allen Erdteilen rund um die Uhr mit oft bildlich untermauerten Beiträgen versorgt wird.
Nachfolgend ein paar Eindrücke aus den vergangenen zweieinhalb Jahren. Alle Bilder stammen von mir.
![]() |
Bild 1: Karlskirche (Barock), 4. Bezirk, erbaut bis 1737, von Karl VI. in Auftrag gegeben, als Verbindung zwischen Rom und Byzanz gestaltet, daher die christlichen und islamischen Elemente mit markanten Reliefsäulen |
![]() |
Bild 2: Johanniskirche in Unterlaa (Romanik), 10. Bezirk, erbaut vermutlich um 1030 als Chorturmskirche, auf dem Fundament eines römischen Grabhaus aus dem 3. Jahrhundert, später verändert bzw. nach Zerstörung durch die Türkenkriege neu aufgebaut - davor finden sich die Reste einer römischen Siedlung. Möglicherweise die älteste Kirche Wiens. |
![]() |
Bild 3: Franz-von-Assisi-Kirche (ugs.: Mexikokirche) am Mexikoplatz (2. Bezirk), erbaut bis 1910, im rheinisch romanischen Stil, durch die roten Dachziegel von weitem sichtbar. Hier: von der Donauinsel fotografiert. |
![]() |
Bild 4: Neusimmeringer Pfarrkiche im 11. Bezirk, erbaut 1910 im Stil der Neoromanik, die 56 m hohen Türmen bilden eines der Wahrzeichen Simmerings, neben den Gasometern (im Hintergrund) |
![]() |
Bild 5: Altlerchenfelder Pfarrkirche (Neogotik), 7. Bezirk, um 1853 fertiggestellt, besonders Reizvoll durch die verschiedenen Sichtachsen in den Gassen des umliegenden Grätzels. |
![]() |
Bild 6: Minoritenkirche (Gotik), 1. Bezirk, eine der Kirchen, deren wechselhafte Geschichte am Gebäude sichtbar ist. Im Jahr 1275 erbaut wurde sie häufig verändert. Die Turmspitze wurde in beiden Türkenkriegen zerstört, und nach dem Zweiten durch ein Flachdach ersetzt. |
![]() |
Bild 7: Votivkirche (Neogotik), 9. Bezirk., 1879 nach 23 Jahren Bauzeit fertiggestellt, mit 99 m Höhe die zweithöchste Kirche Wiens, wird wegen ihrer Türme häufig mit Stephansdom und Rathaus verwechselt. Sie wurde aus Anlass eines Attentats auf Kaiser Franz Joseph I. (1853) errichtet. Besagter Kaiser war unter der Bevölkerung bis zum Attentat nicht sehr beliebt, führte er doch ein autoritäres Polizei- und Militärregime. Und in eben jener Kirche suchten vergangenen Winter rund 50 Asylbewerber Zuflucht, deren Abschiebung drohte und die in den Hungerstreik traten, um für mehr Rechte zu kämpfen. Lange Zeit passierte nichts, und die Politiker blieben hart, die FPÖ versuchte sogar die Besetzung für ihre rassistische Wahlpropaganda auszuschlachten. Linksextreme Gruppen wiederum instrumentalisierten die Flüchtlinge für ihre höherwertigen Ziele. So blieb am Ende nur der Ausweg, in eine andere Kirche zu gehen, in die ... |
![]() |
Bild 8: Servitenkirche (Barock), erbaut 1677, 9. Bezirk, das Vesperbild auf dem Schmerzensaltar stammt aus dem Jahr 1470. Seit die Flüchtlinge in die Servitenkirche abgeschoben wurden, ist es still um sie geworden. Zuletzt wurde von einer einschlägig bekannten Gratis-Zeitung über einer Schlägerei unter Asylbewerbern berichtet, seitdem hört man nichts mehr über sie. Heimkehr ist für viele keine Alternative, sind sie doch vielfach vor Verfolgung im eigenen Land geflüchtet. Die Lösung mit dem Umzug in die Servitenkirche, toleriert von Kardinal Schönborn, ist typisch österreichisch: Aussitzen, ein Zuckerl geben, und dann so tun als ob die Problematik nicht mehr existiert (wie bei den Studentenprotesten im WS 09/10). Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Asylbewerber das Recht auf Arbeit erhalten sollten. |
![]() |
Bild 9: Elisabethkirche (neogotische Staffelkirche), erbaut bis 1868, 4. Bezirk, 80 m hoher Turm in Sichtachse der Argentinierstraße (lange Zeit fuhr ich hier mit dem Rad in die Arbeit). Der Radweg führt an der Kirche vorbei, entlang von Glascontainern (Scherben), scharfen, unübersichtlichen Kurven über eine Bedarfsampel, die auch nachts eingeschaltet ist. |
![]() |
Bild 10: Deutschordenskirche (Gotik), erbaut 1375, 1. Bezirk, der Kirchturm stammt vom Vorgängerbauwerk (13. Jahrhundert). Seit der Barockzeit ist die Kirche in das Ensemble der Singerstraße integriert, weshalb das Langhaus von außen nicht mehr auffällt. |
![]() |
Bild 11: Barmherzigenkirche (Barock), erbaut im 17. Jahrundert, 2. Bezirk, Taborstraße, dahinter erhebt sich der Novel-Tower (des französischen Architekten Jean Nouvel), erbaut 2010 und 75 m hoch. Die Taborstraße ist die älteste Straße des 2. Bezirks (hieß früher Kremser Straße), bereits 1464 bestand hier eine Schlagbrücke über die Donau. In die andere Richtung befindet sich übrigens "Am Tabor" ein Mietzinshaus aus dem Jahr 1698, dessen Fenster heute am Straßenniveau aufliegen und dessen Eingang deutlich tiefer liegt. Wann die Aufschüttung begann, ist mir leider nicht bekannt, muss zwischen 1700 und 1900 gewesen sein. |