Die meisten Demonstrationen (in Wien) werden von linksaußen organisiert, etwa von der Sozialistischen Linkspartei. Daran kranken leider - u.a. die - im europäischen Vergleich - niedrigen Teilnehmerzahlen, auch an eigentlich wichtigen Themen wie Flüchtlinge, Studentenproteste oder Überwachung. Weil die Mitglieder der SLP zu radikal auftreten, fahnenschwingend, antikapitalistisch, mit Ton,Steine,Scherben-Liedern wie "Macht kaputt, was Euch kaputt macht".
Ein kompromissunwilliges Weltbild, das der bürgerlichen Mitte zu radikal ist, um sich gemeinsam mit ihnen sehen zu lassen.
Ein Erlebnis am Rande: Bei der WM 2006 besuchte ich ein Public Viewing am Innsbrucker Marktplatz, als beim Eröffnungsspiel der Deutschen, das live übertragen wurde, österreichische Punks (!) "Nazis raus!" plärrten.
Aus der jüngeren Vergangenheit existieren zwei gewichtige Beispiele für Radikalisierung und Instrumentalisierung gesellschaftlich relevanter Anliegen durch die radikale Linke:
i) Studentenproteste 2009/2010
In Innsbruck wurde der Sowi-Max-Hörsaal durch Linke besetzt, die sich im Verlauf der monatelangen Besetzung in ihren Grundsätzen verhedderten. Es ging nicht mehr um Studiengebühren, um die Verlängerung der Diplomfristen, um prekäre Arbeitsverhältnisse an den Universitäten, man verlor sich in Grundsatzdebatten und Basisdemokratie zu Antisexismus, Antifeminismus und schmiss einen älteren Mann aus dem Sowimax, der angeblich sexistisches gesagt hatte. Ich war anfangs mit dabei, ich trat für die ursprünglichen Ziele ein, die Situation der Universitäten zu verbessern, sich gegen stumpfsinnige Umverteilung der Regierung zu wehren, die die Bildungsfinanzierung rein auf die Studierenden abwälzen wollte, und als Zuckerl lediglich 35 Mio Einmalzahlung anbot, durch den damaligen Wissenschaftsminister Hahn (ÖVP). Als sich aber die Diskussion im besetzten Hörsaal von den Themen auf der Tagesordnung abwandte, als es um eine Musikgruppe ging, von dem ein Mitglied angeblich irgendwas getan hat, und was niemanden der Außenstehenden interessierte, erlosch auch mein Interesse schrittweise. Zudem zeigten sich die Besetzer nicht kompromissbereit gegenüber dem damaligen Rektor und heutigen Wissenschaftsminister Töchterle, der seine Hand anbot, und - gegenüber anderen Universitäten - einen Schritt weiterging und im besetzten Hörsaal mit Besetzern und Studenten diskutierte. Viele meiner Kollegen waren die Besetzer zu radikal, zu selbstverliebt in deren Ideologie, und nicht an der eigentlichen Sache interessiert, vordergründig die Diplomfristen zu verlängern (viele Studierende standen unter dem Druck, innerhalb weniger Semester im Diplom zu beenden, weil sie sonst in den Bachelor zwangsexmatrikuliert worden wären), und die Bedingungen für die Studenten generell zu verbessern (mehr Hörsäle, bessere Ausstattung, mehr Professoren, etc...).
ii) Flüchtlingsproteste in der Votivkirche 2012
Ein düsteres déjà-vu-Gefühl erlebte ich, als sich vorwiegend pakistanische Flüchtlinge in der Votivkirche versammelten, um gegen ihre schlechte Behandlung im Staat Österreich zu protestieren, deren Asylanträge abgelehnt wurden, obwohl sie in ihrem Heimatland verfolgt werden, die kein Recht haben, hier zu arbeiten, die praktisch gezwungen werden, kriminell zu werden, wollen sie sich eine neue Existenz aufbauen. In der Falter-Ausgabe 4/13 wurde ein (gekürzter) Leserbrief von mir veröffentlicht:
Ich bin daher nicht überrascht, wenn sich so wenige Bürger an den Demonstrationen beteiligen wollen.
Mir tut dieser Zustand der Demonstrationskultur in Österreich, speziell auch in Wien, in der Seele weh. Ich würde mich gerne häufiger auf Demonstrationen begeben, möchte aber nicht Teil eines Ganzen sein, der sich gar nicht für das Thema der Demonstration interessiert, sondern sie nur instrumentalisiert, um seine Ideologie in den Vordergrund zu rücken. Denn solange sich die Parteien in den Vordergrund stellen, hilft das den Betroffenen am allerwenigsten. Immer wird dann über die Parteien, über deren Radikalität, über deren Vorgehen, diskutiert werden, und nicht über das eigentliche Anliegen.
Ich fordere: Parteiwerbung raus aus den Demonstrationen! Menschliche Tragödien stehen im Vordergrund, wenn es um die harte Politik der amtierenden Regierung gegen Asylsuchende geht - hier geht es nicht im Kapitalismus, auch nicht nur um böse Polizisten, die bloß das ausführende Organ sind, das Mittel zum Zweck, nämlich das humanitäre Bleiberecht nicht anzuwenden, die Gesetze nicht entsprechend der UN-Konvention zu gestalten, den Menschen keine faire Behandlung zukommen zu lassen, ihnen nicht zu unterstellen, sie würden bloß aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, oder gar anzudeuten, es handle sich bloß um Kriminelle, die vorhaben, auf Kosten des Sozialstaats (was immer dieser fiktive Begriff auch bedeuten mag) hier eine Existenz aufzubauen.
Die Demonstration sollte sich an jene richten, die mit dem Begriff Nächstenliebe nichts mehr anzufangen wissen. Er sollte sich gegen die Schwarzmalerei richten, die gegenüber Minderheiten zur Perfektion zelebriert wird. Und die Ängste gegen Überfremdung nehmen, die in Österreich tiefsitzende Wurzeln tragen.
Bleibt bei der Sache - und seid konstruktiv! Zeigt den Österreichern, dass es Euch nicht um Euch selbst geht, sondern um andere.
Ein kompromissunwilliges Weltbild, das der bürgerlichen Mitte zu radikal ist, um sich gemeinsam mit ihnen sehen zu lassen.
Ein Erlebnis am Rande: Bei der WM 2006 besuchte ich ein Public Viewing am Innsbrucker Marktplatz, als beim Eröffnungsspiel der Deutschen, das live übertragen wurde, österreichische Punks (!) "Nazis raus!" plärrten.
Aus der jüngeren Vergangenheit existieren zwei gewichtige Beispiele für Radikalisierung und Instrumentalisierung gesellschaftlich relevanter Anliegen durch die radikale Linke:
i) Studentenproteste 2009/2010
In Innsbruck wurde der Sowi-Max-Hörsaal durch Linke besetzt, die sich im Verlauf der monatelangen Besetzung in ihren Grundsätzen verhedderten. Es ging nicht mehr um Studiengebühren, um die Verlängerung der Diplomfristen, um prekäre Arbeitsverhältnisse an den Universitäten, man verlor sich in Grundsatzdebatten und Basisdemokratie zu Antisexismus, Antifeminismus und schmiss einen älteren Mann aus dem Sowimax, der angeblich sexistisches gesagt hatte. Ich war anfangs mit dabei, ich trat für die ursprünglichen Ziele ein, die Situation der Universitäten zu verbessern, sich gegen stumpfsinnige Umverteilung der Regierung zu wehren, die die Bildungsfinanzierung rein auf die Studierenden abwälzen wollte, und als Zuckerl lediglich 35 Mio Einmalzahlung anbot, durch den damaligen Wissenschaftsminister Hahn (ÖVP). Als sich aber die Diskussion im besetzten Hörsaal von den Themen auf der Tagesordnung abwandte, als es um eine Musikgruppe ging, von dem ein Mitglied angeblich irgendwas getan hat, und was niemanden der Außenstehenden interessierte, erlosch auch mein Interesse schrittweise. Zudem zeigten sich die Besetzer nicht kompromissbereit gegenüber dem damaligen Rektor und heutigen Wissenschaftsminister Töchterle, der seine Hand anbot, und - gegenüber anderen Universitäten - einen Schritt weiterging und im besetzten Hörsaal mit Besetzern und Studenten diskutierte. Viele meiner Kollegen waren die Besetzer zu radikal, zu selbstverliebt in deren Ideologie, und nicht an der eigentlichen Sache interessiert, vordergründig die Diplomfristen zu verlängern (viele Studierende standen unter dem Druck, innerhalb weniger Semester im Diplom zu beenden, weil sie sonst in den Bachelor zwangsexmatrikuliert worden wären), und die Bedingungen für die Studenten generell zu verbessern (mehr Hörsäle, bessere Ausstattung, mehr Professoren, etc...).
ii) Flüchtlingsproteste in der Votivkirche 2012
Ein düsteres déjà-vu-Gefühl erlebte ich, als sich vorwiegend pakistanische Flüchtlinge in der Votivkirche versammelten, um gegen ihre schlechte Behandlung im Staat Österreich zu protestieren, deren Asylanträge abgelehnt wurden, obwohl sie in ihrem Heimatland verfolgt werden, die kein Recht haben, hier zu arbeiten, die praktisch gezwungen werden, kriminell zu werden, wollen sie sich eine neue Existenz aufbauen. In der Falter-Ausgabe 4/13 wurde ein (gekürzter) Leserbrief von mir veröffentlicht:
Die Instrumentalisierung einer Protestbewegung durch radikale Aktivisten ist nicht neu, denn aus jüngerer Zeit sind die Studentenproteste in Österreich im Winter 2009 noch in guter Erinnerung. In Innsbruck sorgten linksextreme Gruppen innerhalb der Unibrennt-Bewegung dafür, dass bei basisdemokratischen Abstimmungen die Besetzung immer weiter hinausgezögert wurde. Es ging nicht um Kompromisse, etwa um eine Verlängerung der Fristen für Diplomstudenten, sondern um große Visionen.und der gekürzte Teil:
Mir gegenüber gab ein Alt-68er sogar zu, dass es ihm nicht um die Fristen oder um zeitnahe Verbesserungen ging, sondern darum, der "Bundespolitik auf die Füße zu treten". Die radikalen Kräfte der UniBrennt-Bewegung hätten dafür sogar das gute Vertrauensverhältnis zwischen Besetzern und dem Rektor verspielt, um ihre politischen Ziele zu erreichen. An dieser Absicht scheiterte letzendlich die im Kern durchaus legitimierte Protestbewegung, die etwa in Deutschland mit weiteren Bildungsmilliarden Erfolg hatte, in Österreich aber zunehmend auf Skepsis und Ablehnung stieß. Solange Betroffene von radikaleren, medienwirksamen Aktivisten für ihre eigenen höheren Zwecke missbraucht werden, ist eine derartige Protestbewegung zum Scheitern verurteilt. Dabei droht man, das eigentliche Ziel der Asylsuchenden aus den Augen zu verlieren: Als Menschen anerkannt und behandelt zu werden, unangeachtet ihrer Herkunft und politischen Ansichten.Gründe:
Ich bin daher nicht überrascht, wenn sich so wenige Bürger an den Demonstrationen beteiligen wollen.
- Mit Sicherheit spielt die politische Ausrichtung Österreichs ebenfalls eine gewichtige Rolle. Die Linke war in Deutschland seit jeher viel stärker als in Österreich, während sich in Österreich nach wie vor fast ein Drittel der Wähler für Parteien (deutlich) rechts der Mitte entscheiden. Diese Parteien agitieren naturgemäß gegen Akademiker (sogenannte Akademikerfeindlichkeit in Österreich, ein beredtes Beispiel gab der FPÖ-Chef Strache in der Wahlarena auf Puls4 ab, als er kritisierte, dass am besten jeder Matura haben sollte und studieren müsse, Fachkräfte seien verpönt, und damit indirekt den gut ausgebildeten Menschen den Fachkräftemangel (und damit verbundene Zuwanderung) in die Schuhe schob).
- Weiters wirkten sich die 68er in Österreich wesentlich zahmer als in Deutschland aus - eine Protestkultur hat sich daraus nie entwickelt, sieht man von einzelnen Häuserbesetzungen ab, und dem Aufbegehren der Bevölkerung gegen ein Atomkraftwerk in Zwentendorf.
- Drittens aber fühlen sich viele Menschen von radikalen Liedern und Fahnensprüchen schlicht abgeschreckt, die auf Demonstrationen zu lesen sind. Wo geht es noch um die Sache, wenn sie die Demonstration gegen Überwachung vor dem Parlament als Party mit dumpfer Technomusik ausklingen, die so laut ist, dass man sich vor Ort nicht einmal mit anderen Demonstranten unterhalten kann? Wo geht es um die Sache, wenn auf "Refugee-Solidarisierungspartys" Ton,Steine, Scherben gespielt wird und typische linksradikale Punklieder gegen die Polizei gerichtet, und die Party angeblich dazu dient, den Erlös des Getränkeverkaufs für die Flüchtlinge zu spenden? Wen erreicht man damit? Es kamen sehr wenige, keine hundert, der Effekt sehr gering. Wie kann man überhaupt das Leid der Betroffenen als Party zelebrieren?
Mir tut dieser Zustand der Demonstrationskultur in Österreich, speziell auch in Wien, in der Seele weh. Ich würde mich gerne häufiger auf Demonstrationen begeben, möchte aber nicht Teil eines Ganzen sein, der sich gar nicht für das Thema der Demonstration interessiert, sondern sie nur instrumentalisiert, um seine Ideologie in den Vordergrund zu rücken. Denn solange sich die Parteien in den Vordergrund stellen, hilft das den Betroffenen am allerwenigsten. Immer wird dann über die Parteien, über deren Radikalität, über deren Vorgehen, diskutiert werden, und nicht über das eigentliche Anliegen.
Ich fordere: Parteiwerbung raus aus den Demonstrationen! Menschliche Tragödien stehen im Vordergrund, wenn es um die harte Politik der amtierenden Regierung gegen Asylsuchende geht - hier geht es nicht im Kapitalismus, auch nicht nur um böse Polizisten, die bloß das ausführende Organ sind, das Mittel zum Zweck, nämlich das humanitäre Bleiberecht nicht anzuwenden, die Gesetze nicht entsprechend der UN-Konvention zu gestalten, den Menschen keine faire Behandlung zukommen zu lassen, ihnen nicht zu unterstellen, sie würden bloß aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, oder gar anzudeuten, es handle sich bloß um Kriminelle, die vorhaben, auf Kosten des Sozialstaats (was immer dieser fiktive Begriff auch bedeuten mag) hier eine Existenz aufzubauen.
Die Demonstration sollte sich an jene richten, die mit dem Begriff Nächstenliebe nichts mehr anzufangen wissen. Er sollte sich gegen die Schwarzmalerei richten, die gegenüber Minderheiten zur Perfektion zelebriert wird. Und die Ängste gegen Überfremdung nehmen, die in Österreich tiefsitzende Wurzeln tragen.
Bleibt bei der Sache - und seid konstruktiv! Zeigt den Österreichern, dass es Euch nicht um Euch selbst geht, sondern um andere.