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Channel: Wiener Alltagsbeobachtungen
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Schmeiß das Fahrrad ausm Zug!

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Gestern am späten Abend, wenn die Tram nur noch im 15min-Takt fährt,  in einer fast leeren 2er Garnitur, die sich auch während ihrer Fahrt kaum anfüllte.

Junger Mann mit Fahrrad steigt in die Niederflurgarnitur.

Durchsage der Tramfahrerin: "Die Mitnahme von Fahrrädern ist in der Straßenbahn nicht gestattet!"

Der Mann entschuldigend: "Aber i hab an Patschen (Platten)!"

Durchsage wird wiederholt und der Mann muss aussteigen.

Die Verkehrspolitik der Wiener Linien ist hier schon etwas scheinheilig.

Allgemein ist die Mitnahme von Fahrrädern (ausgenommen Klappräder) in den Öffis verboten und nur außerhalb der vermeintlichen Rush Hourn erlaubt, etwa sonntags und abseits der Hauptverkehrszeiten in den U-Bahnen. Nur: Gerade zu diesen Zeiten fahren die U-Bahnen seltener und sind häufig erst Recht gut gefüllt, besonders, wenn sie über die Bahnhöfe fahren (U1 - Hauptbahnhof, U3/U6 Westbahnhof).

In den alten U-Bahn-Garnituren ist es vom Kopfende abgesehen unmöglich, sich so zu stellen, ohne jemandem im Weg zu stehen. Dasselbe gilt je nach Größe auch für Kinderwägen.

Die WienerLinien betonen auf Nachfrage, es sei aus Sicherheitsgründen nicht gestattet, Räder mit in die Straßenbahn zu nehmen.

In Innsbruck sieht man die Sachlage anders, dort heißt es bei den Innsbrucker Verkehrsbetrieben:

Gratis Transport in Bus und Tram
In allen IVB-Fahrzeugen ist der Transport von zwei bis vier Fahrrädern kostenlos. Wenn die dafür vorgesehenen Abstellplätze frei sind, können Fahrräder in den Bussen und Trams mitgeführt werden. Während der Fahrt müssen die Räder aus Sicherheitsgründen mit dem dafür vorgesehenen Gurt befestigt werden.
Sind Eltern mit einem Kinderwagen oder RollstuhlfahrerInnen an Bord, ist der betreffende Platz für diese Fahrgäste reserviert.
Klare Ansage: Ist der Platz besetzt, muss man den nächsten Bus oder die nächste Tram nehmen, ist er frei, muss man das Rad am Sicherheitsgurt (der auch für Kinderwägen existiert) befestigen.

In Wien wäre dies theoretisch auch bei den Straßenbahnen möglich, denn einzelne Trams, etwa auf der chronisch überfüllten 43er-Linie (die in zehn Jahren durch die U5 entlastet werden soll), wurden bereits so umgebaut, dass mehr Steh- statt Sitzplätze vorhanden sind, siehe diesen Bericht der Wiener Zeitung.

Der Grund für den Umbau war aber kein Zugeständnis an Radfahrer, Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen, sondern:
Vielmehr sei das Ziel, durch diese neuen Auffangräume den Fahrgastfluss zu beschleunigen und eine bessere Verteilung im Straßenbahn-Zug zu ermöglichen. Was letztlich auch helfen soll, die Fahrpläne exakter einzuhalten.
Ich würde den Faden weiterspinnen: Könnte man nicht generell in allen Niederflurbahnen mehr Stauraum schaffen, und damit nicht nur Eltern mit Kinderwagen ermöglichen, diesen zu nutzen, sondern - wenigstens abseits der Rush-Hour-Zeiten - auch Radfahrern den Transport ermöglichen, in dem ein Sicherheitsgurt vorhanden ist?

Wien wächst. Immer mehr Wiener wollen das Rad benutzen. Platte Reifen oder Schlechtwetter sind die gewichtigsten Gründen, kurzfristig um die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Die Mitnahme in U-Bahnen lohnt sich allerdings nur bei längeren Strecken. Laut Wiener Linien ist es verboten, die Rolltreppen mit dem Rad zu benutzen. Aufzüge sind allerdings dünn gesäet, und überlasse ICH dann lieber Rollstuhlbenutzern und Eltern mit Kinderwagen. Bei dem Zeitverlust in die U-Bahn hinunter (hinauf) und wieder hinaus überlegt man sich das dann gleich zwei Mal. In die Straßenbahn kann man auch mit dem Rad unmittelbar und barrierefrei einsteigen, ohne Strecken- und Zeitverlust. Das gilt mit und ohne Rad gleichermaßen.

Vielleicht findet hier eines Tages einmal ein Umdenken statt. Es würde die Attraktivität der Wiener Öffis jedenfalls nicht schmälern. Das eigentliche Problem ist weiterhin, dass die Straßenbahn an vielen Kreuzungen nicht bevorzugt fährt, und auf den Individualverkehr Rücksicht nehmen muss. Die Intervallverdichtung stößt dann an ihre Grenzen, Straßenbahnen sind überfüllt und Menschen weichen auf das Auto aus. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

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