Quantcast
Channel: Wiener Alltagsbeobachtungen
Viewing all articles
Browse latest Browse all 209

Sicherheit statt Bildung?

$
0
0
290 Mio. investiert die Regierung in ein Sicherheitspaket gegen die Terrorgefahr aus islamistischen Kreisen.

Iinnerhalb weniger Tage steht plötzlich ein großzügiger dreistelliger Millionenbeitrag für die Terrorbekämpfung zur Verfügung.

Jahrelang, mit Antritt von schwarzblau, dünnt man die polizeiliche Infrastruktur aus, schließt erst im vergangenen Jahr weitere Wachen (damit mehr Polizisten auf der Straße sind), und erst jetzt, wo es auf dem europäischen Kontinent, in einem EU-Land, einen konkreten, tragischen Anlassfall gibt, kommt man darauf, hoppala, der Sparkurs war ja verkehrt - wir müssen in die Sicherheit investieren!

Nicht auszudenken, der Terroranschlag wäre in Wien passiert: ein Armutszeugnis für das Innenministerium.

An dem Aktionismus stört mich Folgendes:

Erst zuvor wurde ein einseitiges, vorverurteilendes Islamgesetz beschlossen, das die Muslime unter Generalverdacht stellt.

Jetzt wird massiv die Terrorgefahr betont, gleichzeitig aber der Rechtsextremismus, seit der Abschaffung des jährlichen Rechtsextremismusberichts unter Schwarzblau stiefmütterlich überwacht, vernachlässigt, ebenso die steigende Zahl an Übergriffen auf Muslime, aber auch Antisemitismus, von Hakenkreuzen auf Gedenksteinen ganz zu schweigen. Rassistische Übergriffe und Sager im Alltag habe ich selbst schon in Wien beobachtet.

Integration ist weiterhin ein rotes Tuch, es fehlt vor allem an den Möglichkeiten der Mitbestimmung, in manchen Bezirken Wiens darf bis zu ein Drittel der Bevölkerung nicht wählen gehen. An der Bildung wird gespart, größere Klassen, dafür gibt es mehr Nachhilfeunterricht, dringende Bildungsreformen fehlen. Die Arbeitslosigkeit besonders unter Migranten steigt, die Perspektiven für Jugendliche fehlen.

Gleichzeitig wird unter dem Deckmantel der Integration aber auch eine Reihe radikaler Vereine und Organisationen gefördert, ohne deren programmatische Ausrichtung zu überprüfen.

In Summe ergibt das viele Möglichkeiten an Schrauben zu drehen, damit sich die Menschen im Land nicht über Jahre oder Jahrzehnte radikalisieren, wie es in Frankreich geschehen ist. Es setzt zumindest dort an, wo es um die eigene Bevölkerung geht.

Ich wünschte, es wäre genauso schnell ein Lippenkenntnis da, dass nicht der Islam für die Terrorwelle verantwortlich ist, sondern innenpolitisch Fehler in der Integration (auf beiden Seiten), in der Bildungspolitik, in den Perspektiven für junge Leute und mitunter auch in dem Therapieangebot/Interesse für traumatisierte Kriegsflüchtlinge (wenn man an die österr. Terrorkämpfer und deren Eltern denkt).

Außenpolitisch bewegt sich das in einem viel größeren, wesentlich naiveren Rahmen, der mit der US-Politik in Nahost, dem ewig ungelösten Israel-Palästina-Konflikt, den Golfkriegen, dem Hochrüsten der Taliban gegen Russland und nachfolgend El Kaida, dem Irakkrieg und Destabilisierung des ganzen Landes nach Rückzug der Amerikaner und der geopolitischen Interessenslagen von Russland und dem Westen zusammenhängt.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 209

Trending Articles