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Beispiel Kroatien-Referendum: Homosexualität und Vorurteile

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In Kroatien hat gerade einmal Viertel der Wahlberechtigten bewirkt, dass eine homophobe Verfassung in Europa festgeschrieben wird, vgl.
Kroatien: Besorgniserregende Apathie der Mehrheit(von Siniša Puktalović)
Vertreter der orthodoxen Kirche, der katholischen Kirche, auch Muslime & Juden, sehen sich in ihrer Feldzug gegen Homosexualität vom Volk bestätigt. Eines der gewichtigsten Argumente gegen gleichgeschlechtliche Ehen ist die "Betonung der Sonderstellung von Mann und Frau in der Ehe", denn nur die Fortpflanzung gewähre den Fortbestand der Menschheit. 

Die Antwort liegt - wie so oft - im Tierreich, genauer gesagt, bei unseren engsten Verwandten, den Menschenaffen. Und für diese gibt es den Experten Frans de Waal, ein renommierter Primatenforscher, der schon mehrere Bücher über seine Erfahrungen insbesondere mit Bonobos und Schimpansen geschrieben hat. 

Eines wurde 2006 oder 2007 in der Ö1-Sendung Kontext vorgestellt. 

"Frans de Waal, Der Affe in uns. Warum wir sind, wie wir sind, Hanser-Verlag, 2006"
Darin setzt sich de Waal vor allem mit Bonobos und Schimpansen auseinander. Bonobos sind der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, zumal sie gelegentlich fälschlicherweise Zwergschimpansen genannt werden (obwohl sie größer als Schimpansen sind). Beide Menschenaffenarten stehen uns Menschen von der Evolution her am nächsten, entsprechend kann man vom Verhalten der Affen stark auf das Verhalten der Menschen schließen.

Schimpansen und Bonobos bilden sozusagen Mr. Jekyll und Dr. Hyde, denn Schimpansen werden als aggressiv und gewalttätig bezeichnet, Bonobos dagegen als friedliebend (auch wenn mittlerweile Kindsmord in freier Wildbahn nachgewiesen wurde) und vor allem sexuell viel aktiver als Schimpansen. Bonobos sind vollkommen bisexuell, sie haben mit allen Sex, außer mit ihrer Mutter (Inzucht ist auch unter Bonobos verpönt). 


Im Kapitel 3: Sex,  Seite 136-141, erläutert de Waal seine Ansichten zum Thema Homosexualität und Fortpflanzung. Die wichtigsten Aussagen habe ich zusammengefasst:

- es gibt ein breites Spektrum von Präferenzen, keine klar zu trennende Sexualität in Homo und Hetero, gerade in unseren Kulturen ist Homosexualität aber mit Ängsten und Tabus besetzt, kein Mann will für einen Homo gehalten werden, und betont daher seine Heterosexualität ("ich bin zwar nicht schwul, aber ...")

- Homosexuelle sind sehr wohl in der Lage, sich zu reproduzieren, viele sind während eines bestimmten Lebensabschnitts vor ihrem Coming Out verheiratet. Viele homosexuelle Paare ziehen Kinder auf.

- sexuelle Präferenzen sind wahrscheinlich genetisch veranlagt, aber es gibt keine Beweisefür eine genetische Differenz zwischen Homo- und Heterosexuellen.

- Sexualität und Liebe/Zuneigung sind oft eng verflechtet (schon Sigmund Freud hat das erkannt): 

"Wenn das andere Geschlecht außer Reichweite ist, beispielsweise in Internaten, Gefängnissen, Klöstern oder auf Schiffen, entwickeln sich gleichgeschlechtliche Sozialbeziehungen oft zu sexuellen weiter, was unter anderen Umständen nicht passiert wäre." (S.138)
- nach Schätzungen/Zufallsstichproben sind weniger als 1 Prozent der Bevölkerung der USA und Großbritannien so radikal homosexuell ist, dass für sie eine Fortpflanzung nie in Frage kommt.

- Homosexualität ist für ein Teil der restlichen 99 Prozent eine Weiterentwicklung, keine "Lifestyle"-Entscheidung, sondern etwas ganz Natürliches, die in einigen Kulturen frei ausgelebt werden kann, in anderen (der unseren) verheimlicht werden muss.

- Bonobos sind vollständig bisexuell sind, d.h. es ist weder eine Präferenz zur Homo- noch zur Heterosexualität gegeben. Zudem ist Homosexualität im Tierreich weit verbreitet, allerdings gibt es keine ausschließlich "schwulen" Tiere. 





Fazit: 


Auch Homosexuelle Paare haben den Wunsch Kinder aufzuziehen und sind natürlich dazu in der Lage (z.B. durch Leihmutter, Adoption), vgl. 
Regenbogen Kindersegen(Portrait von Mia Eidlhuber)
Der Anteil der radikal Homosexuellen, für die Fortpflanzung nie ein Thema sein wird, ist zu gering, um den Fortbestand der Menschheit zu gefährden.

Und noch ein Argument gilt es zu entkräften: 

Der chronische Geburtenrückgang in den letzten Jahrzehnten hat wenig mit Homosexualität und vermehrten Coming Outs zu tun, sondern mit der Unvereinbarkeit von Kind und berufstätigen Eltern und/oder mit steigender finanzieller Belastung. Da ist es Aufgabe des Staates, die Rahmenbedingungen zu verbessern, genügend KiTas anzubieten und für Ganztagesschulen zu sorgen, damit beide Elternteile arbeiten gehen können - unabhängig davon, ob sie es wollen oder müssen. Es auf die Emanzipation der Frau zu schieben, ist genauso falsch, denn das Recht auf Arbeit gilt für Mann UND Frau. Viele von uns hatten während ihrer Kindheit zumindest eine Zeit lang sowohl einen berufstätigen Vater als auch eine berufstätige Mutter, und niemand von uns ist deswegen gleich verdorben worden. 

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