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Rassismus oder künstlerische Freiheit?

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Blogbeiträge, die man sich verkneifen sollte, aber da ich an einer zweiseitigen Diskussion über Rassismus interessiert bin, schreibe ich ihn doch. Seit über einem Jahr bin ich Abonnent der linksliberal eingestellten Wiener Wochenzeitung FALTER und lese gerne kritische Reportagen und informative Texte über Wien. Über den ein oder anderen Text ärgert man sich, wie in jeder Zeitung, aber dann kann ich auch von meiner Meinungsfreiheit Gebrauch machen und dazu bloggen oder einen Leserbrief schreiben.

Das große Aufregerthema derzeit sind Karikaturen und Cartoons, die nach Aussagen der Kritiker rassistisch gefärbt sind bzw. rassistische Ressentiments wecken.

M-Media, Verein zur Förderung interkultureller Medienarbeit ist ein Verein von Migrantinnen und Migranten in Österreich, fasst das auf Twitter folgendermaßen zusammen:



Zur ersten Karikatur hat der Zeichner eine ausführliche Stellungnahme abgegeben:


Zur dritten Karikatur hat sich die Zeichnerin ebenfalls gemeldet:
"die farbliche gestaltung hat ueberhaupt nichts mit irgendwelchen rassen zu tun. ihr seht geister. sorry"
Wer ihre anderen Zeichnungen, im Falter und woanders kennt, weiß außerdem, dass die Verwendung dieser Farben ein Stilmittel ist.



Die zweite Meldung habe ich zunächst nicht mitbekommen. Der Zwarte Pieten (Schwarzer Peter) ist eine Tradition wie Knecht Ruprecht um Nikolaus herum, aber in den Niederlanden seit Jahren heftig umstritten, weil Rassismus schürend, zumal Blackfacing immer einen rassistischen Hintergrund hat. In diesem Kontext ist die Titulierung Böse und "vermiesten" und "beschimpften" zu kurz gegriffen und hätte zumindest etwas mehr Information verlangt, um diese Meldung einordnen zu können.


Im ersten und dritten Fall sorgt alleine die Erscheinung der Karikatur in einer seriösen Zeitung wie dem FALTER dafür, dass ich als Bleichgesicht keinen rassistischen Hintergrund unterstelle, weder der Zeichnung noch dem Zeichner. Ohne Erklärung könnte man aber die erste Zeichnung missverstehen, und die dritte Zeichnung ist unglücklich, weil sie suggeriert, dass hier eine schwarze Mutter ein Kind schlägt.

Fragen bleiben daher zurück: 

Wie weit darf künstlerische Freiheit gehen?
Muss künstlerische Freiheit Rücksicht auf political correctness nehmen?
Sollte künstlerische Freiheit die Meinungen derer berücksichtigen, die sich durch diese Karikaturen angegriffen fühlen? Ein schmaler Grat, wenn man an die Mohammed-Karikaturen denkt.

Eine kritische Auseinandersetzung mit der dritten Zeichnung liefert auch Petra Bernhardt mit der Frage "Wann ist eine Zeichnung rassistisch oder könnte so verstanden werden?"

siehe auch den ersten Kommentar darunter und den letzten, wichtigen Satz:
Zudem bleibt festzuhalten, dass Werke oft auch entgegen den Intentionen ihrer Schöpfer gelesen werden können.
Ich unterstelle der Zeichnerin , dass die Zeichnung gegen ihre Absicht interpretiert wurde, und sie nicht rassistisch gemeint war. Dennoch ist das in einem Land wie Österreich, wo viele Menschen, nicht nur Rechtsextreme, noch Neger sagen, im Kontext des Artikels, Gewalt gegen Kinder,  einfach unglücklich.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, auf solche Vorwürfe zu reagieren, z.B. schlicht einzugestehen, dass das ungeschickt war, wie es dieösterreichische Journalistin Anneliese Rohrer hier für ihren "Zehn-kleine-Negerlein"-Sager in der ORF-Sendung ImZentrum getan hat.

Und nicht zuletzt sollte man daran denken, was Olivera Stajic, Leiterin von daStandard.at auf Twitter folgendermaßen kommentierte:
"die betroffenen bestimmen, wann sie sich diskriminiert/beleidigt fühlen. was ist so schwer daran das zu akzeptieren?"
Und das gilt längst nicht nur bei Rassismus, sondern auch für Minderheiten generell.

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